VFL Oldenburg-HC Thuringer
Remis gegen THC: Begeisterndes Spiel ohne Sieger
Sabrina Neuendorf (am Ball) drückte dem Spiel ihren Stempel auf. (Foto: VfL Oldenburg)
Alle Versprechen wurden eingehalten. 1620 Besucher in der Oldenburger EWE ARENA waren am heutigen Sonntag (2.1.2011) Zeuge eines faszinierenden, hochklassigen und ungemein spannenden Handballspiels zwischen dem VfL Oldenburg und dem Thüringer HC. Verdientermaßen verließ kein Team als Verlierer die Platte: Der Tabellenfünfte erreichte gegen den Spitzenreiter ein 30:30 (16:16).
"Tempo, Herz, Wahnsinn - das war Handball vom Allerfeinsten." Gästetrainer Herbert Müller war in seiner Spielanalyse so euphorisch wie auch die meisten der Beobachter. Allerdings werden die Oldenburger Anhänger auch einer vergebenen Siegchance hinterhertrauern. Der VfL lag nur ein einziges Mal hinten (16:17/32.) und führte viermal mit vier Toren Differenz (10:6/11., 14:10/21., 23:19/40., 25:21/46.). In der Schlussphase fehlten den Gastgeberinnen in einigen Situationen die Nerven - aber auch das Glück. "Etwas Pech bei den Abprallern" machte beispielsweise die wieder ganz starke Lydia Jakubisova aus.
Doch Oldenburg hätte sogar verlieren können: 22 Sekunden vor Schluss scheiterte Sabrina Neuendorf mit einem Siebenmeter an THC-Torfrau Maike März, im Gegenzug brachte der Spitzenreiter in Nadja Nadgornaja seine beste Schützin (sechs Tore) in Position - diese aber war nicht aussichtsreich genug. Der Ball ging am Tor vorbei. Ein direkter Freiwurf Nadgornajas in letzter Sekunde landete im VfL-Block.
Beide Mannschaften fanden sofort ihren Rhythmus im Angriffsspiel. Nach drei Minuten hatte jede bereits je drei Treffer herausgespielt.
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Idalina Borges Mesquita (Foto: VfL Oldenburg) |
Dann parierte Julia Renner gegen Linksaußen Idalina Borges Mesquita den ersten THC-Wurf. In der Folge zog der VfL etwas davon. Mit Laura van der Heijdens 10:6 schloss Oldenburg den zehnten von elf Angriffen erfolgreich ab.
Durchhalten konnte der VfL dieses Niveau im Angriff zwar nicht, eine fast über die gesamte Dauer exzellente Abwehrarbeit sorgte aber dafür, Thüringen in Schach zu halten. Auch nach den ersten Einwechselungen (Lois Abbingh, Julia Wenzl, Maike Schirmer) entstand kein wesentlicher Bruch. Notwendig waren die (für das Oldenburger Spiel alltäglichen) Änderungen in der Aufstellung allein schon wegen des hohen Tempos. Zudem ging Angie Geschke mit Rückenproblemen in die Partie. Ihr Einsatz stand erst kurz vor Spielbeginn fest. Er sollte sich lohnen: Geschke und Neuendorf verdienten sich im Mittelblock der taktisch teilweise perfekt agierenden VfL-Deckung beste Noten.
THC-Coach Müller musste wegen den unguten Verlaufes bereits früh reagieren. Schon in der achten Minute wechselte er im Tor, brachte Petra Blazek für Maike März (Oldenburgs Julia Renner war auf der anderen Seite nach zehnminütiger Eingewöhnungsphase wesentlich besser im Spiel), in Minute zehn nahm Müller seine Auszeit. Stabilität ins Angriffsspiel brachte auch die Hereinnahme Stephanie Subkes (15.).
Lois Abbingh (Foto: VfL Oldenburg) |
Auch Oldenburg gestaltete das Positionsspiel nun nicht mehr so souverän, nach dem 14:10 durch einen Rückraum-Wurf von Lois Abbingh kam der THC Tor um Tor heran: Die eingewechselte Nora Reiche besorgte von rechts das 13:14 (25.), Martina Kytlova verwandelte zum 14:15 einen Strafwurf per Dreher (27.), scheiterte dann an Renner, die den Siebenmeter an den Innenpfosten lenkte (28.), bewies aber beim 15:16 eine Minute vor der Pause - wieder von der Linie - mit einem Heber starke Nerven. Mit einer weiteren Parade Renners hätte Oldenburg eigentlich die Pausenführung unter Dach und Fach haben müssen, doch den weiten Pass der Torfrau zum Konter kam nicht an, und mit der Sirene verwandelte Reiche den wieder Richtung VfL-Tor gespielten Ball zum Ausgleich.
Die Stimmung unter den Zuschauern in der Pause war etwa die gleiche wie rund eine Dreiviertelstunde nach dem Abpfiff: Begeisterung für das tolle Spiel mischte sich mit dem Ärger über das Ergebnis.
Die Parallelen zwischen beiden Halbzeiten sind nicht zu übersehen. Zwar agierte der VfL bei Ballbesitz zunächst nicht immer gut - es war die Phase mit den meisten Oldenburger Fehlpässen -, doch Defensivarbeit, eine stark haltende, nach der Pause ins Spiel gekommene Surkova und das Tempospiel glichen dieses Manko aus. Der VfL war wieder schnell vorne und schien spätestens mit dem 23:19 durch die in dieser Szene arg bedrängte van der Heijden wieder auf der Siegerstraße. Van der Heijden - schon beim 38:24 bei der SG Bietigheim eine der besten Spielerinnen - war nicht nur wegen ihrer sieben Treffer zusammen mit Jakubisova die stärkste Angriffsspielerin des VfL. Müller reagierte auf diesen Treffer mit der erneuten Auswechselung seiner Torhüterin.
Bis zehn Minuten vor Schluss war der VfL relativ sicher vorne. Doch inzwischen war Nadgornaja, die Schützin der ersten drei THC-Treffer, wieder aufgetaucht, warf das 21:23 (45.), das 23:25 (48.) und per Einzelaktion das 24:26 (51.). Zuvor hatte der VfL bei einem Innenpfostenwurf Danick Snelders vom Kreis Glück. Beim 25:26 (54.) bediente die nimmermüde Kerstin Wohlbold Pearl van der Wissel mit einem gekonnten Bodenpass, das 27:25 durch einen Gegenstoß der 60 Minuten spielenden Linksaußen Kim Birke brachte nur kurz Entlastung.
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Stephanie Subke (Foto: VfL Oldenburg) |
Die entscheidende Figur in der Schlussphase war Subke. Die ehemalige österreichische Nationalspielerin ("Dafür habe ich wirklich keine Zeit mehr") warf das 27:27 (56.) mit einem Hüftwurf selber, bediente Snelder beim 29:29 (58.) sowie Wohlbold beim 30:30 eine Minute vor dem Ende und foulte Abbingh bei ihrem Durchbruchsversuch, der schließlich zu dem verworfenen Siebenmeter durch Neuendorf führte. "Wir können froh sein über diesen Punkt", sagte die 29-jährige Familienmutter und stellte im Spiel ihrer Mannschaft noch einige Mängel fest: "Wir kämpfen noch zu sehr mit uns selber, haben keinen Spielrhythmus. Als wir uns hinten stabilisiert haben, haben wir vorne die Bälle nicht mehr reingekriegt. Wir müssen lernen, flüssiger zu spielen. Bei Oldenburg merkt man einfach ganz genau, dass die sich viel besser kennen."
Zu beiden Punkten reichte das bessere Spielverständnis innerhalb des Oldenburger Teams aber nicht. Angie Geschke sagte im Interview mit dem wie immer live übertragenden Sender oeins (Livestream unter oeins.de): "Um eine Spitzenmannschaft wie den THC zu schlagen, braucht man eine Höchstleistung über die gesamten 60 Minuten. Die haben wir nicht ganz abrufen können." Enttäuscht über Partie und Resultat waren Geschke und ihre Mitspielerinnen aber nicht. "Wir sind besser geworden, kompakter, wir spielen flüssiger", sagte Jakubisova. "Dazu kommt, dass unsere Verletzten wie Julia Wenzl zurück sind." Die VfL-Halbrechte zog allerdings ein ähnliches Fazit wie Geschke: "Der THC hat die Anfangsphase verschlafen, wir die Endphase."
Trainerstimmen
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Herbert Müller (Foto: VfL Oldenburg) |
Herbert Müller, THC: Die Art und Weise, mit der beide Mannschaften die Partie gestaltet haben, macht mich überglücklich. Wir haben zwar in den ersten 15 Minuten erhebliche Probleme in der Abwehr gehabt und in der zweiten Halbzeit zunächst im Angriff nicht gut gespielt. Doch die Mannschaft hat sich eingebracht und wieder herangekämpft. Am Ende hätten wir sogar noch gewinnen können. Doch das wäre des Guten wohl zuviel gewesen.
Leszek Krowicki, VfL: Beide Teams haben 60 Minuten gefighted, ein tolles Spiel vor einer tollen Kulisse abgeliefert. Doch das ist eigentlich keine Überraschung gewesen: Für uns ist es unmöglich mit angezogener Handbremse gegen diese Spitzenmannschaft zu spielen, und für den THC war es unmöglich, uns zu unterschätzen. Die Erfahrung unseres Gegners haben wir nicht. Doch wenn man uns erlaubt, mit dieser Oldenburger Mannschaft weiter zu arbeiten, werden wir ähnliche Ansprüche wie der THC formulieren können. Es war ein gerechtes Ergebnis.
So geht es weiter:
Am kommenden Sonntag (9.1.2011, 16.30 Uhr, EWE ARENA) steht das nächste Heimspiel für die Oldenburgerinnen an. In der dritten Runde des DHB-Pokals empfängt der VfL den Bundesliga-Konkurrenten HSG Blomberg-Lippe. Der THC erwartet im Topspiel dieser Runde tags zuvor (18 Uhr) Bayer Leverkusen.
VfL Oldenburg: Renner (9/1 Paraden), Surkova (ab 31., 9 Paraden) - Birke 3 Tore, Geschke 1, Neuendorf 5/1, van der Heijden 7, Jakubisova 5, Kethorn 1, Abbingh 6/4, Schirmer, Wenzl 2, Badenhop n.e., Hetmanek n.e., Reinhold n.e.
Thüringer HC: März (9/2 Paraden), Blazek (8. bis 40., 4 Paraden) - Borges Mesquita 4, Nadgornaja 6, Wohlbold 4, Engel 5, Knytlova 4/3, Snelder 2, Subke 2, Reiche 2, van der Wissel 1, Garcia Almendaris.
Siebenmeter: 7/5 (März lenkt Abbinghs Wurf an die Unterlatte und hält gegen Neuendorf) - 5/3 (Renner lenkt Engels Wurf an den Innenpfosten; Knytlova daneben).
Zeitstrafen: 0 - 4 (zweimal Subke, Nadgornaja, Snelder).
Schiedsrichter: Bernd und Reiner Methe aus Vellmar.
Zuschauer: 1620 in der EWE ARENA.